Spezial: La Mer

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Also ich war ja lange nicht mehr an einem Meer. Wahrscheinlich sowieso sogar noch nie. Und damit meine ich eben so richtig ein Meer. So ein richtiges Meer mit Ozean-Charakter. Ostsee und Mittelmeer würde ich da nicht mit dazu zählen – das sind ja nahezu noch Binnengewässer (auch wenn mich jetzt der ein oder andere bestimmt gerne hauen würde). In meinem Fall ist das hier gerade das Südchinesische Meer, an der Ostküste von Malaysia. Selbst diese Stelle liegt noch verhältnismäßig weit „innen“, sehr nahe am Golf von Thailand.

 
 
 
 

Ich muss schon sagen: das ist schon durchaus respekteinflößend. Interessant ist zu beobachten, wie wechselhaft es ständig ist. Mit der Temperatur verschätzt man sich zum Beipiel dauern: an Tagen, wo man denkt „Na heute ist es ja wunderbar warm!“, ist das doch wirklich unverhofft frisch; und an anderen Tagen, an denen man denkt „Hui, heute müsste es ja bestimmt schön kühl sein!“, dann überrascht es mit ungeahnter Wärme. Entweder schwankt das wirklich so oder aber es veralbert einen das persönliche Temperaturempfinden.

Obwohl das hier ja erstmal ganz idyllisch nach Strand und baden und allem aussieht, taste ich mich – als verwöhnter Städter – jeden Tag wieder vorsichtig aufs Neue an die Unberechenbarkeit dieser Naturgewalt heran.

Das hier ist zum Beispiel noch leicht; ein Planschbecken:

 
 

Wahrenddessen das hier schon etwas schärfer ist. Hier weiß ich nicht, ob man noch sein Dreijähriges Kleckerburgen bauen lassen sollte, während man am Strand vor sich hin döst – sollte man wahrscheinlich aber sowieso nie.

 
 

Hier gräbt es einem schon mal den Sand unter den Füßen weg, dass man den Halt verliert und die ankommenden Wellen bringen einen manchmal ins Schwanken.

Die nächste Stufe dann – ich hoffe, dass das im Video etwas rüberkommt – ist langsam schon echt ’ne ordentliche Wucht. Ich würde das als „an der Schwelle zu mittelmäßig aufgewühlt“ bezeichnen. Hier ist nichts mehr mit normal schwimmen – das ist dann ein ständiger Kampf gegen sich aufbäumende, schäumende und brechende Wellen. (An der Stelle will ich aber auch nicht ausschließen, dass sich meine Ansichten dann nochmal stark relativieren, nachdem ich auf Borneo und Bali gewesen bin. Denn eigentlich: zum Surfen müssten die Wellen ja meiner Meinung nach noch mal ganz anders sein.)

 
 

Und hier dann, tja, also … ich muss leider sagen, dass ich erst mal aufgeben musste. Die schäumenden Wellen kommen am laufenden Band und hauen einen um. Ich hatte mir in den vergangen Tagen die Vorsichtigkeitsregel formuliert: Wenn man’s schafft, rein zu gehen, kommt man auch wieder raus. Ich hab’s nicht geschafft rein zu gehen; das Meer hat mich postwendend wieder ausgespuckt. Nach zwei Schürfungen im Sand, bin ich erstmal wieder heim, Wunden lecken. Aber ich komme, wieder!

 
 

Das kommt wahrscheinlich auf Foto und Video gar nicht so sehr rüber, was für eine Kraft da dahinter ist. Allein schon bei diesen normalen Wellen. Die Katastrophenbilder, wenn da so eine 20 m hohe Tsunamiwelle irgendwo anrollt und ins Land bricht, die sehe ich jetzt auf jeden Fall mit anderen Augen. Die kann echt alles komplett platt machen. Macht sie ja auch.

 
 

Die Wellen sind das eine, aber die Strömung nochmal das andere. Durch den Wind, oder die geografische Küstenlage, oder beides, treffen die Wellen hier nicht 90° am Strand an, sondern vielleicht 80°– 85°; also auf jeden Fall „leicht schräg“. Man ist noch gar nicht richtig im Wasser, ist man ratzbatz abgetrieben und 20 m weiter. Wenn man während dem Treiben im Wasser mit den Füßen leicht den Boden berührt, kann man spüren, wie sehr man am Grund entlangriffelt.

Ich habe es nicht mehr geschafft, gegen die Strömung anzuschwimmen, so, dass ich wenigstens an Ort und Stelle blieb. Da war ich chancenlos und wurde mit Leichtigkeit vom Sog der Wellen und der Strömung mitgetragen. Wenn man nachher wieder an Land ist, ist das für mich als mittelmäßig Sehbehinderten – ich gehe ohne Brille oder Kontaktlinsen ins Meer – schon eine kleine Herausforderung: finde mal die Stelle wieder, in der du ins Wasser bist. Waren das jetzt 10 m oder 100 m, die du abgedriftet bist? Wo war jetzt der Eingang zum Beach Resort? Plötzlich sieht alles gleich aus …

 
 
 
 

An der Stelle vom Strand war die Sache allerdings wirklich noch ungefährlich: es ging sehr sehr flach ins Wasser; nach 30 m konnte man immer noch stehen. Aber ich habe mir so vorgestellt, wie das wäre, mit diesem Wellengang im offenen Meer. Das fände ich dann schon nicht mehr zum spaßen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie manche Schiffbrüchige das geschafft haben sollten, sich doch noch irgendwie an Land einer Insel zu retten. Da muss man schon ein routinierter, kräftiger Schwimmer sein. Müsste ich noch ganz schön üben. Oder wahrscheinlich bekommt man dann durch’s Adrenalin die besonderen Kräfte.

An dieser Stelle noch etwas Wissensvermittlung: in dem Zusamenhang bin ich darauf gestoßen, dass John F. Kennedy im Zweiten Weltkrieg (hier war er noch nicht US-Präsident) auch mal schiffbrüchig wurde, mit samt seiner Besatzung. Das war in der Nähe der Salomonen-Inseln und die Leute haben es geschafft, sich auf eine vorgelagerte klitzekleine Micro-Insel namens „Kasolo“ zu retten.

 
 
 
 

Ich kann mir das echt nicht vorstellen, dass man auf offenem Meer zielstrebig irgendwo hin schwimmen könnte. Das Meer macht doch mit dir was es will. Ich glaube, da gehört auch ’ne Riesenportion Glück mit dazu, dass das Wetter mitspielt.

Andererseits hab ich mal gehört, dass die Strömungen auf offenem Meer so sind, dass sie früher oder später immer auf Landmasse auftreffen und sei sie noch so klein. Und man kann auch „Strömungen lesen“, so wie ein Jäger Spuren von Tieren ließt. Ein Effekt, den sich damals™ die tollkühnen Seefahrer auf ihren zusammengefrickelten Booten zu Nutze gemacht haben, um die Südseeinseln (und auch Hawaii) zu entdecken und zu besiedeln. Die konnten nicht zielstrebig drauf losfahren, denn die wussten ja nicht, dass es da noch irgendwo Land gibt. Die haben unterwegs die Strömung gelesen und drauf spekuliert, dass die irgendwo ankommen, bevor das Wasser und der Proviant alle wird. Verrückte Typen!

Na trotz allem, das Fazit: Respekt vor dem Meer; das ist eben keine Badewanne.

 

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